Einleitung
Wer unter plötzlicher Reizbarkeit, innerer Leere oder scheinbar grundloser Erschöpfung leidet, denkt oft zuerst an Stress, psychische Belastung oder emotionale Probleme. Doch was, wenn der Ursprung dieser Beschwerden gar nicht primär seelisch ist? Der Begriff „somatopsychisch“ beschreibt genau diese Richtung: körperliche (somatische) Ursachen, die sich auf die Psyche auswirken.
In einer Zeit, in der psychische Störungen wie Depression, Burnout oder Angst immer häufiger diagnostiziert werden, lohnt es sich, die körperlichen Hintergründe genauer zu betrachten – besonders bei Stimmungsschwankungen und chronischer Erschöpfung.
Was bedeutet „somatopsychisch“?
Der Begriff „somatopsychisch“ setzt sich aus den griechischen Wörtern „soma“ (Körper) und „psyche“ (Seele, Geist) zusammen. Im Gegensatz zur bekannteren „psychosomatischen“ Richtung – bei der seelische Belastungen körperliche Symptome verursachen – geht es hier um den Einfluss des Körpers auf die seelische Verfassung.
Typische somatopsychische Störungen sind z. B.:
- Stimmungsschwankungen aufgrund hormoneller Veränderungen
- Depressive Verstimmung durch Nährstoffmängel
- Angstzustände durch Darmdysbiosen
- Antriebslosigkeit bei Schilddrüsenunterfunktion
- Reizbarkeit bei Blutdruck- oder Blutzuckerschwankungen
Somatische Ursachen für Stimmungsschwankungen und Erschöpfung
1. Hormonelle Dysbalancen
Hormone sind zentrale Botenstoffe, die Stimmung, Energie und Motivation stark beeinflussen. Besonders sensibel reagiert der Körper bei:
- Wechseljahren, Schwangerschaft, Wochenbett, Pubertät
- Schilddrüsenstörungen (v. a. Hypothyreose oder Hashimoto-Thyreoiditis)
- Nebennierenschwäche (Adrenal Fatigue) durch chronischen Stress
- Progesteronmangel in der Lutealphase (prämenstruelles Syndrom – PMS)
Typische Symptome: Stimmungstiefs, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Grübeln, Erschöpfung, Tränenausbrüche
2. Nährstoffmängel
Das Gehirn ist auf eine gute Versorgung mit Nährstoffen angewiesen. Fehlen bestimmte Bausteine, kann das psychische Wohlbefinden massiv leiden:
- Vitamin D-Mangel: depressive Verstimmungen, Lustlosigkeit
- Eisenmangel: Antriebslosigkeit, schnelle Erschöpfung, innere Unruhe
- Vitamin B12- oder Folatmangel: Konzentrationsprobleme, depressive Symptome
- Magnesiummangel: Nervosität, Reizbarkeit, Schlafstörungen
- Zinkmangel: Antriebsschwäche, Stimmungsschwankungen
- Omega-3-Fettsäuren-Mangel: schlechte Stressverarbeitung, depressive Symptome
3. Darmgesundheit und Mikrobiom
Über 90 % des körpereigenen Serotonins, des sogenannten Glückshormons, wird im Darm produziert. Ein gestörtes Mikrobiom kann daher erhebliche Auswirkungen auf die Stimmung haben:
- Dysbiose (Ungleichgewicht der Darmflora): depressive Verstimmungen, Angst
- Leaky-Gut-Syndrom: erhöhte Entzündungsneigung, die sich psychisch auswirken kann
- Histaminintoleranz: Reizbarkeit, Schlafstörungen, Nervosität
4. Chronische Entzündungen
Niedriggradige Entzündungen im Körper (silent inflammation) können die Funktion von Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin und GABA beeinträchtigen. Das kann langfristig zu:
- chronischer Erschöpfung
- Motivationslosigkeit
- innerer Unruhe
führen.
Typische Auslöser: versteckte Infektionen, Autoimmunerkrankungen, Umweltbelastungen, still entzündete Zähne oder Darmschleimhaut.
5. Blutzuckerschwankungen
Ein instabiler Blutzuckerspiegel kann zu Stimmungstiefs, Reizbarkeit, Heißhungerattacken und Energieabfällen führen. Besonders betroffen sind Menschen mit:
- zuckerreicher Ernährung
- unregelmäßigem Essverhalten
- Insulinresistenz oder Prädiabetes
Die somatopsychische Perspektive in der Praxis
Fallbeispiel:
Eine junge Mutter fühlt sich nach der Geburt ihres Kindes niedergeschlagen, überfordert und permanent gereizt. Der Verdacht fällt schnell auf eine postnatale Depression. Doch eine Blutuntersuchung zeigt: starker Eisenmangel, niedriger Vitamin-D-Spiegel und Hormonungleichgewicht. Nach gezielter körperlicher Unterstützung stabilisieren sich auch ihre Stimmung und Energie.
Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, wie wichtig es ist, bei psychischen Beschwerden auch körperliche Ursachen abzuklären.
Was kann man tun?
1. Ganzheitliche Diagnostik
- Blutuntersuchung: Ferritin, Vitamin D, B12, Folsäure, Magnesium, Zink
- Hormonprofil: Schilddrüsenwerte (TSH, fT3, fT4), Progesteron, Cortisol
- Darmdiagnostik: Mikrobiomstatus, Zonulin (Leaky Gut), Entzündungsmarker
2. Nährstoffausgleich
Gezielte Substitution kann oft innerhalb weniger Wochen eine deutliche Verbesserung bewirken – aber nur auf Basis sinnvoller Diagnostik.
3. Ernährung
- Blutzuckerstabil essen: viel Eiweiß, wenig Zucker, komplexe Kohlenhydrate
- Entzündungshemmende Kost: Omega-3, Gemüse, Bitterstoffe
- Darmfreundliche Ernährung: Fermentiertes, Präbiotika, Ballaststoffe
4. Schlaf und Rhythmus
Ausreichender, erholsamer Schlaf ist essenziell für Hormonhaushalt und seelisches Gleichgewicht. Eine regelmäßige Tagesstruktur hilft besonders bei Stimmungsschwankungen.
5. Psychologische Begleitung
Trotz somatischer Ursachen ist es wichtig, psychische Reaktionen ernst zu nehmen. Gespräche, Achtsamkeit, Körperarbeit oder therapeutische Begleitung können helfen, das Gleichgewicht wiederzufinden.
Fazit
Stimmungsschwankungen und Erschöpfung sind nicht immer „nur psychisch“. Der Körper spielt eine zentrale Rolle für unser seelisches Wohlbefinden. Das somatopsychische Modell zeigt: Nicht die Psyche macht den Körper krank – manchmal ist es genau umgekehrt.
Ein ganzheitlicher Blick, der Körper und Seele verbindet, ist oft der Schlüssel zu nachhaltiger Gesundheit. Bevor du dich selbst verurteilst oder dich mit einer Diagnose abfindest, lohnt es sich, tiefer zu schauen – manchmal ist die Lösung körpernäher als gedacht.

Sonja ist Ernährungswissenschaftlerin und promovierte Epidemiologin mit langjähriger Erfahrung in der Gesundheitsforschung. Seit der Geburt ihrer beiden Kinder 2019 und 2023 beschäftigt sie sich intensiv mit dem Thema Rückbildung und der Thematik, wie man wieder einen gesunden und schönen Körper mit stabiler Mitte nach der Schwangerschaft bekommen kann. Sie möchte Euch helfen, nach der Schwangerschaft wieder fit zu werden!